Montag, 30. April 2007

Spezielles

Liebe Freunde,

ich möchte diesmal im Blog ein paar spezielle Gegebenheiten oder Erlebnisse wiedergeben, die ich in den vergangenen Tagen und Wochen erlebt oder erfahren habe. Diese Themen sind nicht unbedingt zusammenhängend, aber ich dachte mir, dass sie für euch noch amüsant sein könnten.
Pferde im Zentrum: Bin neulich am Samstag Abend zum roten Platz spaziert. Auf dem Rückweg kamen mir doch tatsächlich auf dem Trottoir zwei Pferde entgegen. Das ist an sich schon sehr speziell für Moskau. Die Pferde wurden von zwei jüngeren Damen geritten, die offensichtlich auf dem Weg in den Ausgang waren! Top gestylt, schicke Klamotten und die Schminkspiegel in der Hand für den letzten Schliff. Mal was anderes . . . .
Einkaufen bei Auchan: War gestern Sonntag im Auchan einkaufen. Das ist an sich sehr angenehm, da Ikea, Obi, Stockmann und einige andere Geschäfte am selben Ort sind. Do was sich dann im Auchan abgespielt hat, das habe ich noch nie erlebt. Ich glaube, die Leute haben alle ihren Jahreseinkauf erledigt. Zwei Personen mit drei Einkaufswagen waren eher die Regel denn die Ausnahme. Es hat im Auchan etwa 80 (!) Kassen, dennoch bin ich fast eine Stunde in der Warteschlange gestanden. Werde zukünftig wieder im Laden an der Ecke einkaufen, einiges teurer aber viel angenehmer.
Arbeiten am Samstag: Letzten Samstag war in Russland offizieller Arbeitstag. Praktisch das ganze Land hat gearbeitet um heute Montag einen Brückentag einzulegen vor dem 1. Mai. Brückentagregelung duch die Regierung, für mich ganz was Neues.
Ticketverkauf für Eishockeyspiele: Letzte Woche hat die Eishockey-WM in Moskau begonnen. Der Ticket-Vorverkauf ist ziemlich undurchsichtig und komisch gelaufen. Viele Anbieter übers Internet, zum Teil horrende Preise, zuerst nur Tickets im Paket erhältlich und nicht für einzelne Spiele, dann lange Warteschlagen vor der Kasse. Habe mich gestern spontan entschlossen, das Spiel Finnland gegen Dänemark zu besuchen und habe prompt den Anpfiff verpasst, weil ich an der Kasse so lange warten musste. Nur 3 Kassen geöffnet (die sollten sich ein Beispiel an Auchan nehmen . . . ), eine lahme Software für den Ticketdruck und vor mir ein Mann, der gleich 28 Tickets für verschiedene Kategorien kaufen wollte. Habe es dann doch noch ins Stadion geschafft. Gute Stimmung, schlechte Verpflegung, einige Fans aus der Schweiz und viele verrückte Finnen. Hat Spass gemacht.
Schneefall Ende April: Während praktisch das ganze restliche Europa schwitzt, habe ich gestern wieder die dicke Jacke hervor geholt. 2 Grad und leichter Schneefall am Morgen und eine ziemlich bissig Bise.
Turandot: Letzten Donnerstag war ich zum Abend essen eingeladen - ins Turandot. Das ist das dekadenteste Restaurant, das ich je gesehen habe. Das Restaurant als Palast nachgebaut, alles täuschend echt, alle Kellner mit weissen Perücken, in der Mitte ein kleines Orchester auf einer Drehbühne (à la Rondo Veneziano), gutes aber teures Essen. Und auf der Karte kleine Schnäppchen wie ein Cognac für umgerechnet 1'600 CHF (25ml!). Auch das ist Moskau.

Do svidanija,
Matthias

Dienstag, 24. April 2007

Demonstrationen

Liebe Freunde,

ich hatte am Montag ein Meeting in Kiev. Um am Morgen früh auch rechtzeitig in Kiev zu sein, bin ich bereits am Sonntag gereist. Am Sonntag also früh zum Flughafen. In Domodedovo haben sie eine neue "Röntgenmaschine" installiert. Man stellt sich hinein, hebt die Arme und nach 5 Sekunden ist der Spuk auch schon vorbei. Wirklich sehr speditiv und angenehm. Ich habe mich nicht nach der Röntgenbelastung erkundigt, nach meinen Röntgenabeteuern vor drei Jahren in Mexiko kann mich diesbezüglich auch nicht mehr viel erschüttern.
Nach allen Kontrollen dann einen guten Cappuccino genossen und im Flugzeug die nächste Überraschung. Das Flugzeug halbleer, dafür rund um mich herum etwa 10 ukrainische Models. Alle etwa 1.80m gross, spindeldürr, übergrosse Sonnenbrillen und alle 2 Minuten den Schminkspiegel vor dem Gesicht. Nett anzuschauen, aber gar nicht mein Fall.
Das Wetter in Kiev war sehr schön, aber kühl. Und was seh ich da auf dem Weg in die Stadt: Reklametafeln für "IWC Schaffhausen"! Kurze Heimatgefühle und natürlich ein gewisser Stolz, dass es diese Uhren bis nach Kiev schaffen. Habe dann den Nachmittag und Abend zum Flanieren genutzt. Verschiedene Kirchen besucht, die Prachtstrasse entlang spaziert (am Wochenende immer autofrei!) und den Platz der Unabhängigkeit in Augenschein genommen. Erstaunlicherweise hatte es nur noch sehr wenige Zelte von Demonstranten, alles in allem war es sehr ruhig. Nach ein wenig Shopping und einem guten Nachtessen habe ich mich dann früh aufs Ohr gelegt. Im Hotel übrigens sogar Schweizer Fernsehen, dafür weder Vorhänge zum Verdunkeln noch Rolläden. Habe festgestellt, dass hier viele Leute ihre Zimmer nicht abdunkeln fürs Schlafen - hat mir echt Mühe gemacht und bin darum erst spät eingeschlafen.
Am nächsten Morgen dann ein völlig anderes Bild in der Stadt: einige Strassen gesperrt und sehr viele Demonstranten, erstaunlicherweise wenig Polizei. Meine Mitarbeiter sind ziemlich sauer in Bezug auf die politische Lage. Es ist allgemein bekannt, dass die Demonstranten aus den Regionen nach Kiev kommen und wenig politische Anliegen haben, dafür bezahlt werden (30$ am Tag, was für viele ein schönes Salär ist) und das Geld dafür natürlich aus der Staatskasse stammt. Dafür wird dann weniger in die Infrastruktur investiert. Wirklich schade, denn die Ukraine hat es verdient einen Schritt nach vorne zu machen und sich schnell weiter zu entwickeln.
Mein Meeting ist gut gelaufen, ich bin ganz happy mit meinen Mitarbeiterinnen in der Ukraine, sie machen einen guten Job. Und so bin ich dann am Abend spät zurück nach Moskau geflogen. Ohne Models, aber zufrieden.
Do svidanija
Matthias

Samstag, 21. April 2007

YES Club

Liebe Freunde

Diese Woche hatte ich eine Einladung vom YES Club. Anlässlich der Unilever Jahreskonferenz für Universitätsabsolventen wurde ich von einer Studentin angesprochen, ob ich bereit wäre, als Gast an einer Diskussion teilzunehmen. Natürlich habe ich zugesagt. Einerseits war ich neugierig auf diesen Club, andererseits sind dies für mich sehr gute Gelegenheiten die Leute, ihre Mentatlität und ihre Gepflogenheiten besser kennen zu lernen. Die Studentin hat mir den Zweck des YES Clubs erklärt: in diesem Club treffen sich Studenten und andere interessierte Personen wöchentlich um ihre Englischkenntnisse zu verbessern und mittels Gesprächen und Diskussionen englisch zu üben.
Olga, so heisst die Studentin, hat mir dann schnell nach der Konferenz via Email Themen- und Terminvorschläge zugeschickt und so bin ich dann diese Woche also zum YES Club gefahren. Hatte mich mit Olga in der Metro verabredet, das hat ganz gut geklappt. Ich bin dabei das erste Mal wirklich in der Stosszeit mit der Metro gefahren und muss sagen, dass das schon ein spezielles Gefühl ist. Ganz sicher nichts für Leute mit Platzangst. Man wird ganz automatisch von der Masse zum Ein- oder Ausgang geschoben . . .
Pünktlich um 19 Uhr sind Olga und ich im Clubraum angekommen, aber da war niemand. Ich befürchtete schon, dass das eine sehr kleine Diskussionsrunde werden würde, aber da lag ich falsch. Nach und nach trafen die Leute ein und um 19 Uhr 30 waren dann etwa 25 Leute anwesend. Jeder stellte sich vor (es war eine sehr gemischte Runde, sogar ein Abteilungsleiter der französischen Botschaft in Moskau war dabei) und dann begann die Fragerunde. Ich wurde richtiggehend gelöchert und mit Fragen zugedeckt:
Weshalb sucht Unilever nach Leadern, was ist ein Leader, wie international arbeitet Unilever, was macht einen guten Leader aus, wie beurteile ich die Russen, was sind Vor- und Nachteile von Russen gegenüber anderen Nationalitäten, kann man lernen ein Leader zu sein, was mein Erfolgsrezept sei etc. etc.
Wow, das war ganz schön intensiv. Es war eine spannende Diskussion, die zwei Stunden vergingen wie im Fluge und viele Fragen konnten nicht gestellt und diskutiert werden, da wir keine Zeit mehr hatten. Einige haben dann nach der Diskussion um Rat gefragt und wollten Termine mit mir vereinbaren. Und als ich am nächsten Morgen im Büro war, hatte ich schon die ersten Emails von Diskussionsteilnehmern in meinem Postfach. Insgesamt ein spannende Erfahrung und ich konnte wieder einiges an Erkenntnissen mitnehmen.
Heute dann der nächste Eye-Opener. Ich war an einen Fallstudien - Wettbewerb von Business Schools in Moscow eingeladen. 6 verschiedene Schulen präsentierten die Lösung derselben Fallstudie einer Jury bestehend aus CEO's von internationalen Firmen. Ich bin echt erschrocken, die Qualitäts-Unterschiede der Präsentationen waren gigantisch und das Niveau insgesamt doch eher bescheiden. Aber eben, auch wieder eine gute Erfahrung.
Jetzt mache ich Schluss, muss noch meine Koffer packen. Morgen fliege ich nach Kiev, bin gespannt ob man von den politischen Spannungen irgend etwas sehen wird.
Do svidanija,
Matthias

Sonntag, 15. April 2007

Sonntagsvorhaben

Liebe Freunde,

hatte mir vorgenommen diesen Sonntag nicht zu arbeiten - und habe das dann tatsächlich auch durchgehalten. Stattdessen bin ich bei schönstem Wetter mit der Metro ins Zentrum gefahren. Wollte das Puschkin Museum besuchen und einige Einkäufe tätigen.
Na ja, ich war definitiv nicht der Einzige mit dieser Idee. Die Warteschlange vor dem Museum war in etwa 500 Meter lang, so dass ich auf einen Besuch verzichtete. Habe stattdessen die Christi-Erlöser-Kathedrale besucht und einen längeren Spaziergang durch das Arbat Viertel unternommen. Es waren Tausende von Moskauern unterwegs und in der alten Arbat (zu vergleichen mit dem Niederdorf in Zürich) war sehr viel los. Nach einer Portion Fajitas im Hard Rock Café (wollte wieder mal etwas richtig Russisches . . . ) machte ich mich auf den Weg ins Warenhaus. Allerdings habe ich nach 5 Minuten den Rückzug angetreten. So viele Leute in einem Warenhaus habe ich nicht mal am 23. Dezember im Glattzentrum gesehen. Vor den Umkleidekabinen Warteschlangen, mehrere Minuten Wartezeit an den Kassen und Unmengen von Leuten, die in den Auslagen herumstöbern und bei den reduzierten Waren nach Schnäppchen Ausschau halten - wow! Bin dann mit der Metro zum Kreml gefahren und machte im berühmten GUM (Warenhaus am roten Platz) einen neuen Versuch. Hier hatte es bedeutend weniger Leute und so konnte ich einige meiner Einkäufe tatsächlich erledigen.
Diese Woche hatte ich wieder geschäftlichen Besuch aus London. Der Verantwortliche für Aus- und Weiterbildung Europa hat uns zwei Tage besucht. Er war schwer beeindruckt: Einerseits von Russland und Moskau an sich, andererseits von der Qualität der Mitarbeiterinnen in meinem Team, was mich natürlich sehr gefreut hat. Am Abend spät habe ich mit ihm den roten Platz und den Kreml besucht. Mein Besucher stand minutenlang wortlos in der Mitte des roten Platzes und war sichtlich beeindruckt. Danach hat er seine Frau und seine Eltern angerufen, einfach um ihnen mitzuteilen, dass er jetzt auf dem roten Platz stände. Es ist immer wieder spannend zu beobachten, wie Menschen aus Westeuropa in diesem Moment reagieren. Mir ging es übrigens das erste Mal im Jahre 2000 ganz ähnlich . . . .
Do svidanija,
Matthias

Samstag, 7. April 2007

Visumspflichten

Liebe Freunde

Es ist nun schon einige Tage her, dass ich mich an dieser Stelle gemeldet habe. Der hauptsaechliche Grund dafür ist, dass ich wieder für ein paar Tage in der Schweiz war. Schon wieder?!? Na ja, das alles musste kurzfristig organisiert werden, da ich wieder ein neues Visum benötigte, diesmal ein Arbeitsvisum. Also bin ich wieder in die Schweiz gereist. Das Ganze hat ziemlich viel Zeit benötigt, da das russische Konsulat in Bern nur an drei Tagen jeweils von 9 bis 12 geöffnet hat und ich natürlich meinen Pass nicht einsenden konnte, sondern Visum und Pass am selben Tag wieder mitnehmen musste. Also war ich schon um 8:15 in Bern vor dem Konsulat - und es waren bereits einige Personen am warten. Als ich dann um 9:30 an der Reihe war, sagte man mir (auf Französisch, es spricht niemand Deutsch, obwohl das Konsulat nur für die Deutschschweiz zuständig ist!), dass nur Posteinzahlungen akzeptiert würden. Bevor ich das Konsulat verliess um im Zentrum die Einzahlung zu tätigen, hatte ich eine kurze aber intensive Diskussion mit dem Security-Mann, da in der Zwischenzeit etwa 40 Personen auf der Strasse auf Einlass warteten und ich befürchtete, dass ich bei erneutem Anstehen in der Warteschlange mein Visum nicht mehr erhalten würde. Als ich zurückkehrte, liess er mich tatsächlich ohne weitere Diskussionen ein und ich hatte innert 10 Minuten mein Visa. Wow, ein gutes Gefühl. Nun sind wir daran, die notwendigen Registrationen und Bewilligungen in Moskau einzuholen. Mein Team macht da einen wirklich guten Job und ich bewundere ihre Geduld, denn der Umgang mit der russischen Bürokratie ist wirklich sehr speziell. Die Einholung aller Bewilligungen dauert etwa 14 Tage. In dieser Zeit habe ich keinen Pass, was in Russland etwas kritisch ist und darf nicht reisen. Danach aber bin ich dann völlig legalisiert - endlich.
In der Zwischenzeit bewegen sich die Wohnungsmieten wieder spürbar. Viele unserer Mitarbeiter erhalten Mietzinsaufschläge zwischen 8 und 15%, meist ohne Ankündigung und rückwirkend per 1. Januar. Einem Kollegen wurde die Wohnung gar mit einer Frist von 3 Monaten gekündigt, da der Vermieter die Wohnung verkauft hat und der Käufer die Wohnung selbst benutzen will. Ich geniesse also meine Wohnung in vollen Zügen und versuche möglichst gelassen zu bleiben, man weiss ja nie. Übrigens scheint in unserem Haus ein neuer Mieter eingezogen zu sein, muss eine wichtige Person sein. Jedenfalls stehen jetzt öfters am Abend vier bis fünf ganz in schwarz gekleidete Männer im Innenhof um eine völlig verdunkelte schware Limousine herum und warten - sie sind also sicherlich nicht wegen mir da . . .
Das Wetter hier in Moskau hat in der Zwischenzeit wieder gedreht. Nach 14 Tagen Sonnenschein und warmen Temperaturen hat es gestern hefitg geschneit, der Winter nimmt also nochmals einen Anlauf. Werde mich deshalb dieses Wochenende mehr meinen Pflichten im Haushalt, der russischen Sprache und der Erholung in den eigenen vier Wänden widmen.
Do svidanija,
Matthias