Samstag, 5. April 2008

Tyumen

Liebe Freunde,
es war wieder einmal eine ereignisreiche Woche. Nach einem (sehr) kurzen Abestecher in die Schweiz von letzter Woche, stand diese Woche stand eine Reise nach Tyumen auf dem Programm. Tyumen ist eine Stadt mit 500'000 Einwohnern und liegt hinter dem Ural in West-Sibirien. Der Flug von Moskau dauert etwa 2 1/2 Stunden, die Zeitverschiebung beträgt 2 Stunden. Da mein Flug auf 11:20 angesetzt war und man in Moskau wegen dem Verkehr früh von zu Hause weg muss, war praktisch der ganze Tag mit dieser an sich kurzen Reise ausgefüllt und ich kam gegen vier Uhr nachmittags in Tyumen an.
Die Gegend von Tyumen wird geprägt durch das Öl- und Gasgeschäft und viele dieser Konzerne haben in Tyumen administrative Zentren eingerichtet. So sieht man in der Stadt recht viele moderne Bürobauten, auf denen die Logos von Lukoil, Gasprom und anderen Ölfirmen zu sehen sind. Es wird unglaublich viel gebaut in Tyumen und es entstehen ganze Stadtteile neu. Es werden Fabriken gebaut am Stadtrand, riesige Einkaufszentren entstehen und man spürt den wirtschaftlichen Aufschwung fast hautnah. Tyumen ist eine schöne Stadt, ich war wieder einmal positiv überrascht. Viele schöne Kirchen und ältere Gebäude, weitläufige Parks und der Fluss Tura, der sich mitten durch die Stadt schlängelt.
Nach der Landung auf dem kleinen Flughafen, wurde ich von unserem lokalen Verkaufsteam abgeholt. Nach dem Einchecken im Hotel (guter Vier-Sterne Standard) trafen wir die gesamte lokale Verkaufsmannschaft zu einem Treffen - es entstand eine angeregte Diskussion mit vielen Fragen. Danach gings zum Nachtessen. Das von uns besuchte Restaurant bot sibirische Kost an und war auch entsprechend eingerichtet, fast ein kleines Museum: Rentierköpfe, Zelte, Hundeschlitten etc. Das Essen war ausgezeichnet. Besonders geschmeckt hat mir der gefrorene und sehr dünn geschnittene Fisch. Nach reichlich Vodka und grünem Tee haben wir uns blendend unterhalten und einen schönen Abend verbracht. Als Beilage zum abschliessenden Tee gab es Pinienharz, als eine Art lokaler Kaugummi -na ja . .
Am zweiten Tag besuchte ich mit dem Verkaufsleiter in Tyumen viele Einkaufszentren und Shops um mir einen Überblick über die Situation unseres Geschäftes vor Ort zu machen. Nach dem Mittagessen in einem sehr schönen, guten und nach Moskauer Standard günstigen Restaurant fuhren wir dann zur Universität, wo ein Vortrag vor Wirtschaftsstudenten geplant war.
Am Haupteingang angekommen wimmelte es von Studenten (es studieren insgesamt 5000 Studenten Finanzen und Betriebswirtschaft). Eine ältere Frau winkte mir von weitem und schien mich zu erwarten. Ich folgte ihr und sie lotste mich an allen Sicherhheitsbeamten vorbei in den dritten Stock. Eigentlich hatte ich erwartet in einen Hörsaal geführt zu werden, aber plötzlich stand ich in einem stattlichen Büro, wo eine etwa 55-jährige Frau mich enthusiastisch auf Englisch begrüsste und begann mir die Universität vorzustellen. Ich hatte ehrlich gesagt keine Ahnung wer die Frau war, aber mir begann klar zu werden, dass sie wohl irgendwas mit der Leitung der Universität zu tun hatte. Nach ein paar Minuten dann führte sie mich ins Auditorium, wo der Vortrag statt fand. Etwa 150 Studenten besuchten unsere Veranstaltung, was mich positiv überraschte, da Unilever in dieser Gegend - wie überhaupt in Russland und der Ukraine -als Unternehmen fast unbekannt ist. 90% der anwesenden Studenten waren Frauen, sie waren interessierter und aufmerksamer als die Studenten in Moskau und hatten viele Fragen, so dass die Veranstaltung insgesamt fast zwei Stunden dauerte. Im Anschluss an den Vortrag führte mich die Dame in ein anderes Büro, grösser und schöner eingerichtet, wo ein wiederum älterer Herr mich erwartete. Wie sich später herausstellte war dies der Direktor des Instituts für Finanzen und Betriebswirtschaft. Er wollte wissen, weshalb wir diese Veranstaltung organisierten, was unsere langfristigen Ziele in Tyumen seien und ob wir an einer engeren Zusammenarbeit mit der Universität interessiert seien. Er sei an einem Meinungsaustausch sehr interessiert und würde gerne meine Beratung in Anspruch nehmen, was sie in bezug auf die Ausbildung verbessern könnten. Natürlich habe ich keine Ahnung, was genau an dieser Universität unterrichtet und gelehrt wird, so dass ich mich in Höflichkeitsfloskeln flüchten musste. Wir unterzeichneten eine Zusammenarbeitsvereinbarung (mit Handschlag und Photos wie bei einem Staatsvertrag) und tauschten kleinere Geschenke aus. Für mich war es eine Begegnung der "sowjetischen" Art und wiederum eine neue Erfahrung. Der Direktor war sehr freundlich und interessiert, gab mir aber auch zu verstehen, dass er in bezug auf Betriebswirtschaft bildungsmässig für ein Gebiet verantwortlich sei, dass 5x grösser sei als Europa (!) und dass sich Unilever beeilen müsse mit der Zusammenarbeit, denn es seien viele Firmen interessiert. Das Ganze war wiederum eine neue Erfahrung für mich, werde mich vor dem nächsten Universitätsbesuch in Sibirien auf alle Fälle besser vorbereiten . . .
Kommende Woche stehen drei weitere Reisen auf dem Programm. Am Montag besuche ich unsere Fabrik in Tula, Von Dienstag bis Donnerstag werde ich in Novosibirsk zum ersten Mal unsere neue Glacé-Firma besuchen und am Freitag schliesslich geht es dann ab in die Ferien nach Thailand und Singapur.
Do svidanija,
Matthias

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